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Yelp und die „Kirche im Dorf lassen“

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Ich muss mich jetzt doch noch mal zu dem Fall „Yelp und seinem Filter“ äußern.

In der Aufregung um den eigenen Sternenverlust oder den des Lieblingsrestaurants argumentieren einige mit etwas zweifelhaften Annahmen. Der im folgenden zitierte Beitrag von Netzgewandt (Martina Troyer) bietet dabei eine gute Grundlage, auf die Argumentation der Kritiker zu antworten:

Dubioses Filtersystem soll Spam und Fake-Bewertungen aussortieren. 

Es handelt sich laut Yelp um eine „Empfehlungssoftware“ (so der neue Name der Software), deren Algorithmus Bewertungen nach klaren und festgelegten Kriterien sortiert, so dass diese möglichst relevant sind für die Nutzer der Plattform. Werden Spam- und Fakebeiträge rausgefiltert, ist das nur ein zusätzlicher Nutzen.

Dieser Algorithmus ist (laut Yelp) unbestechlich, funktioniert bei jedem gleich und er aktualisiert sich in regelmäßigen Abständen.

Das genaue Rezept, nach welchen Kriterien die Software sortiert wird, wird wie das Coca Cola-Rezept niemals an die Öffentlichkeit kommen. Warum wohl? Wäre es bekannt, würden nicht wenige Geschäftsinhaber sicher gerne wieder in „bessere Bewertungen“ investieren, statt in guten Service oder Kritikfähigkeit. Was unglaubwürdig sein soll an der Aussage, dass die Kriterien nur wenigen Entwicklern des Bewertungsportales bekannt sind – erschließt sich mir nicht.Foto von emrox http://www.flickr.com/photos/emrox

Die Kritik an den oben genannten Punkten zeugt von Unerfahrenheit, wie Internetplattformen funktionieren und wie solche Systeme arbeiten.

Dass nur positive Bewertungen gefiltert worden sind, halte ich für unwahrscheinlich. Allerdings wirkt hier sicher auch der eigene Wahrnehmungsfilter. Fakt ist, ich habe mir die Plätze vieler Kritiker angesehen und dabei festgestellt, dass die „nicht empfohlenen“ Beiträge völlig zu Recht nicht empfohlen wurden!

Ich persönlich habe als Nutzer auch keine Lust, mir 97 Bewertungen anzusehen, die alle den Eindruck machen, als hätte sie eine Person an einem umtriebigen Abend verfasst. Im besten Fall stieß ich auf zahllose, lieblos formulierte Floskeln, die mir wenig weitergeholfen hätten. Die Aussagen waren so unpräzise und unspezifisch, dass ich meine Zeit nur sinnlos vergeudet hätte.

Yelps Logik, dass sich der Algorithmus der Bewertungsdarstellung (empfohlen / nicht empfohlen) ja jederzeit ändern könne, ist indes nicht nachvollziehbar. Das klingt vielmehr nach Willkür, die einige Unternehmen als geschäftsschädigend werten.

Vielleicht mag die Verfasserin einmal erläutern, warum sie das nicht nachvollziehen kann und warum sie Willkür unterstellt? Diese wesentlichen Punkte fehlen in ihrem Beitrag leider.

Das, was die einen „Filter“ nennen und die anderen „Empfehlungssoftware“ passt sich laufend an, so hat es Yelp von Anfang an beschrieben und so tritt es nun auch – wie versprochen – ein. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass viele Mitglieder ihre Profile nun (wieder?) beleben, Karteileichen aktiv werden und die Beiträge durch echte und aktive Mitglieder eine neue Relevanz erhalten.

Dieses Anpassen ist also nicht die gefühlte Reaktion auf den individuellen Protest. Die Software tut das, wofür sie programmiert wurde: Sie sortiert nach Relevanz.

Das tun übrigens alle klugen Netzwerke, Facebook beispielsweise. Das kann man doof finden, aber es gibt gute Gründe dafür, so vorzugehen. Am Ende wollen beide Plattformen die Nutzung vereinfachen und den Wert des gezeigten erhöhen. Am Rande: Es wurde seitens Yelp nie ein Geheimnis daraus gemacht wurde, dass es bis Mitte Dezember dauern könnte, bis alle Beiträge korrekt eingeordnet worden sind.

Die Migration aller Beiträge und aller Profile muss unfassbar aufwändig gewesen sein und es gibt wohl nur eine Handvoll Entwickler in Deutschland, die eine Migration diesen Ausmaßes schon einmal vorgenommen haben und einschätzen können.

Zurück zum Netzgewandt Artikel:

Im Falle eines Mediziners aus Hamburg, der über den Verlust von vielen positiven Bewertungen klagte, hat das Landgericht Hamburg nun eine Entscheidung gefällt, wie das Hamburger Abendblatt berichtet.

Die Richter in Hamburg haben bei ihrer Verfügung offensichtlich nicht verstanden, wie das System funktioniert. Man scheint anzunehmen, dass kleine grüne Männchen in den Servern sitzen, einzelne Bewertungen rauspulen, nur um diese dann  zu manipulieren. Dem ist aber vermutlich nicht so. 😉

Über die rausgefilterten Bewertungen hat sich übrigens niemand aufgeregt – ein Schelm, der sich Böses dabei denkt. Die direkt angezeigten Bewertungen sind meines Erachtens nicht weniger gut oder schlechter als das Unternehmen.

Demnach sehen es die Richter als unzulässig an, dass eine Gesamtbewertung angezeigt  wird, wenn einzelne Bewertungen dabei ausgefiltert werden. Laut Abendblatt entschieden die Richter per einstweiliger Verfügung, dass dadurch die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt würden. 

Ich halte es nach den Aussagen von Yelp für eine systemimmanente Bewertung: alle hier abgebildeten Unternehmen werden demnach nach objektiven und gleichen Maßstäben bewertet und besternt.

“Unternehmen wie Hotels und Restaurants können nicht verhindern, dass sie auf Bewertungsportalen bewertet werden. Diese Freiheit der Bewertung endet jedoch, wenn die abgegebenen Gästemeinungen willkürlich gefiltert werden und damit ein verzerrendes Gesamtbild des Unternehmens entsteht. Dieser Grundsatz gilt branchenunabhängig.” (Pressemitteilung Kanzlei Spirit Legal LLP)

Über die angebliche Willkürlichkeit lässt sich trefflich streiten. Ich halte diesen Vorwurf für abstrus, ungeprüft und leicht widerlegbar seitens Yelp. Ob sich die genannten Fälle wirklich mit dem in Düsseldorf vergleichen lassen, wird sich erst noch zeigen.

Yelp lässt seine Kunden hier sehenden Auges in eine Abmahnfalle tappen. Ob das dem Geschäftsmodell von Yelp dienlich ist, wird sich zeigen.

An dieser Stelle wird es aus meiner rechtlichen Laienperspektive gänzlich absurd: Den Aussagen von Yelp zufolge, liegt keine Willkür vor. Gegenbeweise werden wohl ausbleiben? In dieser Situation  nun von „Abmahnfallen“ zu sprechen, grenzt meines Erachtens an Panikmache.

Mein Fazit und meine Empfehlung an Unternehmen ist folgende:

Sicher sollte man sich nicht auf eine Plattform zur Reputationsbildung festlegen sondern ganzheitlicher agieren – und das nicht nur im Netz. Nur wer beobachtet, was über das eigene Unternehmen geschrieben wird, sich mit Kritik auseinandersetzt und seine Kunden durch gute Dienste begeistert, wird im Netz der Bewertungen künftig gut abschließen.

Fake, Spam und Gefälligkeitsbewertungen werden weiter an Bedeutung verlieren, soziale Bewertungen durch Personen meines Vertrauens oder solche, die es sein könnten, werden an Bedeutung gewinnen. Hochwertige Bewertungportale müssen den Suchende im Fokus zu haben, oder sie verlieren an Glaubwürdigkeit.

Die schiere Anzahl an unecht wirkenden 5 Sterne Bewertungen, die in ihrer Gesamtheit das Ergebnis verfälscht haben, gehören der Geschichte an. Yelp räumt hier auf, etwas rüde vielleicht und irgendwie auch unerwartet, aber das Ziel und die Maßnahmen kann ich nachvollziehen und verstehen.

Als Social Media Manager und auch aus der Warte des Kunden habe ich nicht vergessen, was für mich als Informationssuchende wichtig ist.

EDIT: Die Tatsache, dass ich Yelps Vorgehen aus wirtschaftlicher und technischer Sicht vollkommen nachvollziehen kann, bedeutet nicht, dass ich die zumindest vorübergehend entstandenen Nachteile für Unternehmer nicht sehe oder ernst nehme. Der Schnitt war hart, Yelp ist nicht gleich Qype, und sicher hätte man manche Unsicherheit durch mehr und offenere Kommunikation verhindern können. Ich kann nur annehmen, dass dieses Learning nicht nur im Hamburger Office, sondern auch im Yelp Headquarters angekommen ist.

Der Markt muss leider durch objektiv arbeitende Programme reguliert werden, wie man auch bei dem Facebook Edgerank sieht.

Wir Social Media Manager haben selbst dazu beigetragen, dass Bewertungen ungelenkt weniger wert sind als früher. Vergleichbar mit der SEO Branche haben wir das Thema, gemeinsam mit überengagierten Platzinhabern, übersteuert.

Lesetipp:

 

Der Beitrag Yelp und die „Kirche im Dorf lassen“ erschien zuerst auf dialog artists.


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